St.-Pauls Kirche in München-Perlach


Im Jahre 1833 wurde die Pfarrkirche St. Matthäus als erste protestantische Kirche Münchens errichtet, die zunächst als „Sonnenkirche“ bezeichnet wurde. Sie wurde 1938 abgerissen und erst 1957 in ihrer heutigen Form wieder errichtet.  Uneingeschränkt bestand der Wunsch nach der Errichtung eines Vikariats und einer eigenen Kirche oder wenigstens eines Bethauses in Perlach. Aber wie sollte das finanziert werden?

Trotz des Widerstandes des damaligen Innenministers Carl August (von) Abel (1788-1859) wurde endlich im Mai 1846 von König Ludwig I. von Bayern (1786-1868) eine Kirchenkollekte im ganzen Reich genehmigt, die die Baukosten finanzieren sollte. Als besondere Streiter für die Genehmigung dieser Kollekte werden Anton Weiskopf und Franz Schmitt erwähnt. Diese beiden Gemeindeglieder waren dann auch vier Wochen in München, um persönlich Spenden bei den dort ansässigen Protestanten zu sammeln. Die Spenden kamen von Glaubensgenossen aus allen Teilen Bayerns und Deutschlands. So trugen Spenden aus Augsburg, Nürnberg, Frankfurt und sogar aus Lübeck zum Bau unserer Kirche bei. Der Ertrag war mit 9´029 Gulden und 53 ½ Kreuzer unerwartet hoch und so war es möglich, anstelle eines Bethauses den Bau unserer kleinen Kirche zu finanzieren.

Der „berühmte Architekt, Herr Civilbauinspektor Friedrich Ziebland“, selbst Protestant, wurde aufgefordert einen Entwurf für die in Perlach zu errichtende Kirche zu fertigen. Gerne hätte Georg Friedrich Ziebland (1800-1873) den Bau unserer Kirche auch geleitet, dies wurde aber durch die Obrigkeit zunächst untersagt. Der Grund waren die Arbeiten an der Basilika St. Bonifaz (letzte Ruhestätte Ludwig I.), die der König Ziebland übertragen hatte. Die Gemeinde in Perlach sollte einen Baumeister suchen, der die Pläne Zieblands umsetzten könnte. Leider war der unter den von der Regierung gestellten Bedingungen nicht zu finden. Die Zahl der Gemeindeglieder war inzwischen auf rund 300 Seelen angestiegen. Es sollte nur ein einfaches Bethaus errichtet werden, eine Empore erschien als überflüssig. Der Altar soll freistehend in der Mitte errichtet werden, dahinter ein kleines Zimmer für die Aufbewahrung von für den Gottesdienst notwendigen Gegenständen und den Aufenthalt des Pfarrers vor und nach dem Gottesdienst. In diesem Zusammenhang werden auch die zwei für ein Bethaus erforderlichen Glocken erwähnt.

Zunächst musste aber der Bauplatz gesucht und gefunden werden. Der zum Schul- und Vikariatshaus gehörende Garten war zu klein, daher wurde für 1´000 Gulden das nebenliegende Grundstück angekauft. Diese Ausgabe hätten die Mittel aus der Kirchenkollekte überstiegen. Der Kauf wurde schließlich ermöglicht, da „seine Majestät der König von Preußen allerhuldvollst 500 Gulden zu schenken geruhten“.
Am 05.12.1846 war Friedrich Ziebland dann persönlich in Perlach um den Bauplatz zu besichtigen. Es wurden zwei Entwürfe und jeweils ein Kostenvoranschlag an den Landmann Schmitt übergeben. Dieser sollte die Unterlagen „zum Decan Dr. Böckh tragen“.

Als Grundriss wählte Ziebland ein Rechteck, da dieses die zweckmäßigste und kostengünstigste Form darstellte. Der Eingangsbereich ist abgeschlossen und birgt den Aufgang zum Turm. Gegenüber sind mittig der freistehende Altar links die Kanzel und rechts die Orgel angeordnet. Vor dem Altar steht das Taufbecken, welches ebenfalls nach Skizzen von Ziebland gefertigt wurde. Die Apsis umfasst fünf Seiten eines Achtecks und bildet durch rund drei Meter hohe Scheidewand einen Raum, der als Sakristei dient. Die Kirche ist in ihrer äußeren Form sehr schlicht gehalten, in alten Fotografien sieht man die ursprünglich ziegelsichtige, lediglich geschlämmte Außenfassade. Lediglich die Front zeigt eine architektonische Hervorhebung durch den vorgelagerten Eingangsbereich. Außerdem wird je ein Rundfenster mit Dreipass über der Eingangspforte und über dem Giebel des Eingangsraumes eingebracht. Gegenüber, über der Apsis wird ebenfalls ein rundes Fenster eingebaut. Dieses wird bis heute lediglich durch Keile in der Wand gehalten, das Einputzen wurde wohl übersehen. Die Seitenwände und die Apsis erhielten jeweils drei gotische Fenster.

Das Innere unserer Kirche wird baulich im wesentlichen durch das spitzförmig zulaufende Tonnengewölbe geprägt, Gegliedert wird diese Fläche durch dünne Rippen, die in Höhe der Fensterabschlüsse auf kleinen Konsolen ruhen. Auch in der Apsis werden die Grate durch solche, hier kleiner ausgeführte Rippen betont. Die ursprüngliche Innenausstattung war reichlich mit gotischen Stilelementen versehen.
Am 17.Juli 1847 wurde der gerade beschriebene aufwendigere Entwurf vom Innenministerium und dem protestantischen Oberkonsistorium nach einigen Änderungen genehmigt. So musste das Kirchenschiff  „um vier Schuh“ höher und an der Kanzel Änderungen vorgenommen werden.

Der zweite, nicht ausgeführte, Entwurf sah einen ganz ähnlichen Grundriss vor, lediglich der Vorraum sollte offen sein und nur von Pfeilern gestützt werden. Das Tonnengewölbe sollte einer geraden Decke weichen und die Innenausstattung war weniger ausgeprägt geschmückt. Durch diese Vereinfachung ergab sich die geringere Bausumme für diesen Entwurf.

Den Ausführungszeitraum unserer Kirche hat Ziebland vom 05. Mai 1848 bis zum 23. Mai 1849 akribisch in einem Tagebuch protokolliert. Seine Verbundenheit mit der Gemeinde und dem Bauwerk mag sich in der Bereitschaft zeigen, persönlich mit in die „Galerie“ (Alte Pinakothek) zu gehen um das Gemälde zu suchen, das als Altarbild kopiert werden könnte. Bei diesem Bild handelt es sich um das sogenannte Münchner Kruzifixus, ein Werk von Peter Paul Rubens (1577-1640). Heute nach der Umgestaltung des Innenraumes hängt es gerahmt an der Nordwand in unserer Kirche.

Damit war die Planungsphase beendet und am 11. Mai 1848 kann der erste Stein gelegt werden. Am Trinitatisfest, dem 18. Juni wird dann der Grundstein unter dem Altar eingemauert. Dank der günstigen Witterung kann bereits im August der Dachstuhl errichtet werden, nur beim Unterbau des Turmes entstehen Verzögerungen, die die Fertigstellung des Bauwerks im Jahre 1848 verhindern. Die Gestaltung des Innenraumes muss sehr unauffällig gewesen sein, lediglich durch den silbergrauen Anstrich der elf Rippen wurde Akzente gesetzt.

„Die große Harmonie der Architektur als auch der Innenausstattung zeigt, dass ein einziger Baumeister sich ganz persönlich um diesen Bau gekümmert und dabei die geringste Einzelheit selber bestimmte. Der Kirchenbau weist nicht nur eine ernste und edle Einfachheit in Gestaltung und Farbe auf, wie sie der protestantische Glaube fordert, sondern bezeugt, wie gut sich Ziebland den Erfordernissen und Bedingungen, die das Werk an Ihn stellte, anzupassen vermochte. Es sind dies die formale Einfachheit und der bescheidene Umfang, der einer erst heranwachsenden Gemeinde in der Diaspora entsprechen. Die reine und strenge Aussage des evangelischen Kirchenbaues erhält erst ihre Sinnerfüllung durch die im Gottesdienst Feiernde Gemeinde. Dieses Gedankengut hat der strenggläubige Protestant im Entwurf der St. Paulus Kirche stark zum Ausdruck gebracht.“

Kirchweih in Perlach ist dann am 09. September 1849. Am Tag vor dem Kirchweihfest, wurde „das stabile Vicariat Perlach von seiner Majestät unserem gnädigsten König genehmigt und als selbstständige, dem Pfarramt München zugeteilte, Filialgemeinde constituiert“.

Durch verschiedene Gönner wurden der Kirchengemeinde Geschenke zur Ausschmückung ihrer Kirche gemacht. So stiftete Königin Marie von Bayern einen aus schottischem Batist und mit feinster Spitze besetztes, eigenhändig gefertigtes, Kommunionstuch. Die Prinzessin Louise von Sachsen-Altenburg schenkte dazu passende Tauftüchlein. Einen aus Silber gefertigten und vergoldeten Abendmahlskelch verdankt die Gemeinde der Gräfin von Wittgenstein, eine gleichartige Hostienbüchse der Gräfin von Giech. Ein Altarteppich wurde von Frau Gräfin Pappenheim und ein eigenhändig gefertigtes Altartuch wurde von einem wohltätigen Freifräulein aus München gestiftet.

Bald nach Fertigstellung der Kirche wurde die Orgel aufgrund schlechter Akustik umgesetzt. An ihre Stelle wurde der Taufstein gestellt, wie wir das noch heute sehen. Die Umstellung gab den Blick auf den Altar frei, der durch seine Erhöhung um zwei Stufen gegenüber dem Kirchenraum zum Mittelpunkt der Anlage wurde. Die Orgel kam auf die nachträglich eingezogene Empore. Abweichen zu der heutigen Situation endete die ursprüngliche Empore bereits vor dem ersten Fensterpaar. Sie war wohl lediglich für die Orgel und den Organisten gedacht.

Seit den Anfängen unserer Kirche sind viele Jahre vergangen. In dieser Zeit wurde immer wieder mehr oder weniger sanft in die Bausubstanz eingegriffen. Nicht immer war der Geschmack der Zeit zum Besten für das Bauwerk. Stilistische wie bauliche Ansichten und Einsichten können im Nachhinein nicht immer als gelungen bezeichnet werden. So ist unsere Kirche in ihrer Substanz noch erhalten durch mehrere Umbauten, die im Geschmack der jeweiligen Zeit ausgeführt wurden, aber stellenweise weit vom Entwurf Zieblands entfernt. So wurde die Innenausstattung komplett erneuert und verändert. 2007 wurden einige Eingriffe wieder rückgängig gemacht, der ursprüngliche Zustand konnte aber nicht mehr hergestellt werden. Die Kirchengemeinde war bemüht sehr diffizil die vorgefundene bauliche Situation soweit möglich dem ursprünglichen Gedanken und der heutigen Liturgie anzunähern.

Das Schlusswort soll ein Zeitzeuge haben, diese Zeilen stammen von Florenz Stammberger (Pfarrvikar) anlässlich der Kirchweih im Jahre 1849:

Der ganze Tag wurde in würdiger Weise gefeiert sowohl von der Gemeinde, wie von der höchst zahlreichen Versammlung aus München und andern benachbarten Ortschaften, und auf keinerlei Weise gestört.

Möge die evangelische Gemeinde ihren Ehrentag nie vergessen! Mögen ihre Glieder, wie aus toten Steinen ihr Gotteshaus vollendet dasteht, sich als lebendige Bausteine auferbauen zu einem geistlichen Tempel des Herrn, zu einer Behausung Gottes im Heiligen Geist.

Das walt Gott. Amen !

Zusammengetragen von Michael Kammerloher.
Quellen: Dissertation über Friedrich Ziebland von Birgit-Verena Kornapp; „Einweihung der protestantischen Kirche in Perlach“ von Christian Kaiser Archiv, Band 104; Archiv St. Paulus.

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