Unser Pfarrhaus

Pfarrhaus von St. Paulus, erbaut von Theodor Fischer

Wir alle wissen, dass die St. Pauluskirche Perlach zwischen 1848 und 1849 nach Plänen des Architekten Georg Friedrich Ziebland erbaut wurde, dass sie den Titel  „älteste noch erhaltene evangelische Kirche Münchens“ trägt, eine Auszeichnung die sie  bekommen hat, nachdem die Nationalsozialisten im Jahre 1938 die, 1833 eingeweihte Matthäuskirche auf der Sonnenstraße abbrechen ließen, um ihren städtebaulichen Plan einer Ringstraße vervollständigen zu können.

Doch selbst, wenn sie nach wie vor „nur“ die zweitälteste evangelische Kirche Münchens wäre, so wissen wir alle um ihre Besonderheit und ihre schlichte Schönheit!

Aber war uns bewusst, dass das Pfarrhaus von St. Paulus ebenfalls auf einen sehr bekannten Münchner Architekten und Stadtplaner, nämlich Theodor Fischer, zurückgeht? Er erbaute das Pfarrhaus 1903 und setzte damit ein weiteres Zeichen seines kreativen Könnens.
 

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Quelle St.Paulus Gemeindehaus: Originalstich aus dem Jahre 1904

Auf dem Grundstück, auf dem ursprünglich bis 1788 das „Weberhäusl“ stand, errichtete Theodor Fischer ein drei- geschossiges Pfarrhaus, das mit seinem großen abgewalmten Dach eine sehr stattliche Höhe neben der St. Pauluskirche hat.

Im Laufe der Jahre haben sich Details geändert. Das Dach wurde zum einfachen Satteldach, der vorgezogene Windfang im Eingangsbereich ist zurückgebaut worden, die Rundbogenfenster im Erdgeschoss verschwanden und wurden – nur teilweise - durch Rechteckige ersetzt. Dennoch ist auch heute noch die Besonderheit des Hauses nicht zu verkennen.

 

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Fotos: Claudia Neeser


Am 28.05.2012 jährte sich nun der Geburtstag Theodor Fischers zum einhundertfünfzigsten Male, weshalb es in ganz Süddeutschland, vor allem aber in München viele Veranstaltungen und Ausstellungen gab. Theodor Fischer wurde am 28. Mai 1862 in Schweinfurt geboren und ist 1938 in München verstorben. Von 1880 bis 1885 studierte er Architektur an der Technischen Hochschule München, wo er als Schüler von Friedrich von Thiersch in die Lehre des Historismus eingeführt wurde. Er entwickelte sehr bald seinen eigenen Stil, indem er großen Wert auf den Erhalt der regionalen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten Rücksicht nahm und die Bedürfnisse der Bewohner und Nutzer in seine Planungen mit einfließen ließ. Er galt als Vertreter der Übergangsgeneration zwischen Historismus und Internationalem Stil und setzte sich für die Vermittlung von Tradition und Moderne  sowie die Erhaltung des Alten im Neuen ein.

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Theodor Fischer 1933, Quelle: Internet

Als Leiter des Stadterweitungsbüros in München, wo er von 1893 bis 1901 tätig war, machte er sich einen Namen. Ganz im Gegensatz zu der orts- und geschichts-unabhängigen Geradlinigkeit der üblichen Planungen, setzte er sich für den Erhalt der Struktur von Flurwegen, Feldgrenzen sowie Besitzgegebenheiten ein. Er verabscheute den Schematismus und die gezwungene Regelmäßigkeit ohne Rücksichtnahme auf die Voraussetzungen der historischen und geografischen Struktur. Er prägte mehr als 400 Planungen von Straßen und Platzräume und legte die grundlegende Basis für die städtebauliche Entwicklung Münchens.
 
Ergebnis seiner Tätigkeit war die Staffelbauordnung, die bis 1979 rechtskräftig war. Dieses lokale Planungsrecht wurde durch eine Fülle von Einzelplänen vorbereitet, mit der Fischer das damalige Stadtgebiet und dessen Erweiterung über die Grenzen hinaus systematisch überzog. Die von ihm definierten öffentlichen Räume, Straßen und Parks bestimmen bis heute in vielen Stadtteilen das charakteristische Bild Münchens.

1901 bis 1908 wurde er als Professor für Bauentwürfe an die Stuttgarter Hochschule berufen. Im Jahre 1908 kehrte Fischer nach München zurück und wurde Professor für Baukunst an der Technischen Universität München.

Als Architekt war Theodor Fischer für mehr als 100 Bauwerke verantwortlich.

Wilfried Nerdinger, deutscher Architekturhistoriker und bis September 2012 Direktor des Architekturmuseums der Technischen Universität München würdigte Fischers Werk  als das „ des einflussreichsten und bedeutendsten Architekten vor dem ersten Weltkrieg.“

Zu einigen seiner berühmtesten Bauwerke in München zählen u.a.

- Evangelische Erlöserkirche an der Münchner Freiheit, 1899 - 1901
- Münchner Marionettentheater an der Blumenstraße, 1900
- Volksschule an der Haimhauser Straße, 1897
- Volksschule am Elisabethplatz, 1900
- Gewerbeschule an der Luisenstraße, 1899
- Städtische Höhere Mädchenschule, 1900
- Volksschule an der Guldeinstraße, 1899
- Wittelsbacherbrücke, 1902-1904
- Max-Joseph-Brücke, 1902
- Luitpoldbrücke, 1900 – 1901

Darüber hinaus errichtete er bedeutende Bauwerke im ganzen süddeutschen Raum, bis hin nach Hessen.

Theodor Fischer erwarb  das von Kurfürst Max Emanuel errichtete Wirtschaftsgebäude und lies es renovieren. Dort, im Laimer Schlössl, lebte er mit seiner Frau in nächster Nähe zu seinem Architekturbüro, bis er am 25. Dezember 1938 verstarb.

Theodor Fischers Stärke lag vor allem darin, dass in allen seinen Projekten der Gedanke der Verfestigung des „kulturellen Gedächtnisses“ geprägt wurde. Bei einem Neubau, der ein älteres Gebäude ersetzen sollte, wurde von ihm meist dessen Umriss und Baustruktur übernommen, oder es fanden sich Architekturmotive aus der näheren Umgebung des neuen Gebäudes.

So auch muss es hier bei „unserem“ Pfarrhaus gewesen sein. Das Pfarrhaus fügt sich in seine Umgebung ein, drängt sich, trotz seiner Größe nicht auf sondern rundet das bestehende denkmalgeschützte Ensemble um den Hachinger Bach bis hin zum Pfanzeltplatz ab.

Es soll dieses Jahr renoviert werden. Sowohl das Dach, als auch der Putz müssen erneuert werden. Im Zuge dessen wird in kleinen Bereichen auf den Originalentwurf zurückgegriffen. Das fehlende Fenster zum Pfarrbüro neben dem Eingang, wird wieder eingefügt, um einen besseren Kontakt des Pfarrbüros nach Außen herzustellen.

Claudia Neeser
Dipl. Ing. Architektin


Quellenverzeichnis:
Deutsches Architektenblatt
Theodor Fischer Atlas (Städtebauliche Planungen in München)
Ausstellung „Theodor Fischer“, Architekturgalerie München, Dez 2012
Internet